Die Jets haben Blut geleckt. Binnen einen Jahres hat sich der TSB Gmünd vom Abstiegskandidaten zum Geheimfavoriten entwickelt. Doch Trainer und Mannschaft bleiben demütig. Der Anspruch: Besser werden, jede Woche, in jedem Detail.


Hintere Reihe von links nach rechts: Stefan Scholz, Patrick Watzl, Yannik Leichs, Andreas Maier, Christian Waibel, Stephan Mühleisen, Jonas Waldenmaier
Mittlere Reihe von links nach rechts: Zeitnehmerin Anita Abt, Betreuer Can Oktay, Sportlicher Leiter Jürgen Rilli, Trainer Aaron Fröhlich, Daniel Mühleisen, Devin Immer, Co-Trainer Simon Fröhlich, Torwarttrainer Philipp Neukamm, Physiotherapeut Manoj Chamakala, Physiotherapeutin Nina Waldenmaier
Vordere Reihe von links nach rechts: Wolfgang Bächle, Simon Neumaier, Florian Abele, Tobias Klemm, Kai Schäffner, Tom Abt, Niklas Burtsche
Es fehlen: Jonathan Leichs, Arian Pleißner, Lenny Schwenk
Das zweite Jahr gilt oftmals als das Schwierigste – für Aaron Fröhlich ist das in seiner zweiten Saison als Cheftrainer nicht anders. Schon in seiner Premierensaison hatte der TSB weitaus mehr erreicht, als ihm zuvor zugetraut worden war. Der Mannschaft, die zuvor noch in der Abstiegsrunde zittern musste, verpasste den Aufstieg in die 3. Liga nur um einen Punkt. Das wäre eine Sensation gewesen, vielleicht aber auch einen Tick zu früh gekommen.
Demut statt Euphorie
Vom beeindruckenden Siegesrausch – 26 von 30 Spielen wurden gewonnen – ließ und lässt sich Fröhlich in keinster Weise blenden. Vor dem Start der neuen Saison am Samstag (19:30 Uhr / Große Sporthalle) gegen den TSV Heiningen sagt der 35-Jährige sogar: „Ich habe das Gefühl, dass wir nichts erreicht haben bis jetzt. Nichts.“ Die zurückliegende Rekordsaison zählt nicht mehr, zumal die vierthöchste Spielklasse ausgeglichen ist wie nie. „Wir müssen alles neu verdienen“, betont Fröhlich, „und zeigen, dass wir eine gute Mannschaft sind, die sich wieder nach oben orientieren kann.“

Immer weiter, immer höher, immer besser – aber niemals zufrieden sein. Genau diese Demut lebt der Trainer seinen Spielern vor. Das ist die DNA des „neuen TSB“, der seine Fans so sehr begeistert hat. Eine „großartige Entwicklung“, findet der Sportliche Leiter Jürgen Rilli. Nicht nur sportlich, auch im Umfeld wollen die Jets daran weiter wachsen: „Unsere Grundwerte – die Jugendarbeit, die hohe Identifikation und der Zusammenhalt – kommen an. Ob bei Zuschauern, Partnern oder Sponsoren – der TSB hat einen richtig großen Sprung gemacht und sich wieder einen Namen gemacht.“
Niemand redet vom Aufstieg
Als Vorjahresdritter dürften die Gmünder durchaus zu den Geheimfavoriten gezählt werden, was innerhalb des Vereins allerdings niemand so unterschreiben möchte. Rilli verweist darauf, dass die junge Mannschaft dank der Erfolgswelle auch viele enge Spiele zu ihren Gunsten drehen konnte. „Das kann auch mal in die andere Richtung kippen“, warnt der Sportliche Leiter. Falls das passieren sollte, „werden wir ruhig bleiben und auch die Euphorie bremsen.“ Den Trainer interessiert es noch viel weniger, ob der TSB denn nun als möglicher Aufstiegsanwärter gehandelt werden. „Mein Ziel ist es, alle Spiele zu gewinnen“, so lautet das bekannte Credo.

Früher ging es beim TSB darum, möglichst frühzeitig die Klasse zu halten – heute geht es um mehr. Von Woche zu Woche spornt der akribisch arbeitende Fröhlich seine Mannen zu Höchstleistungen an. „Man stößt von ganz allein an Grenzen, die wir dann überwinden müssen“, erklärt er. Erneut habe sich das Team ein internes Ziel gesetzt, das aber auch bewusst geheim gehalten wird. In der Vorsaison handelte es sich dabei um den Wunsch, die beste Abwehr der Liga zu stellen. Letztlich kassierte nur Aufsteiger TV Bittenfeld II (832) weniger Gegentore als der TSB (871).
Die Abwehr als Fundament
Diese Weiterentwicklung wollen die Jets unbedingt fortsetzen, das war bereits in der Vorbereitung zu sehen. „Wir können natürlich auf gewohnte Abläufe zurückgreifen“, nennt der Chefcoach den entscheidenden Vorsprung im Vergleich zu seinem Amtsantritt. Gemeint ist besonders das defensive Bollwerk, das noch einmal anwächst. Neben Routinier Christian Waibel und Schlüsselspieler Andreas Maier steht dort nun Yannik Leichs, der nach fünf Jahren beim TV Plochingen als gereifter Spieler zu seinem Heimatverein zurückgekehrt ist. Diese Formation beeindruckt alleine schon optisch, macht den TSB zudem unberechenbar. „Wir werden nicht nur ein Abwehrsystem spielen“, lässt Fröhlich durchblicken: „Genauso werden wir im Angriff nicht nur einseitig spielen. Wir haben viele taktische Möglichkeiten.“

Dem „Königstransfer“ müsse man zwar ein wenig Eingewöhnungszeit gewähren, immerhin hat Leichs aufgrund seines Auslandsaufenthaltes im vergangenen Jahr nur wenig Spielpraxis gesammelt. „Er bringt schon ganz viel mit, aber fairerweise müssen wir ihm auch ein halbes Jahr geben, bis alles rund läuft“, so Fröhlich über seinen langjährigen Schützling, den er schon in der TSB-Jugend trainiert hatte.
Kleine Veränderungen im Kader
An personellen Alternativen mangelt es nicht. Zwar schmerzt der Abgang von Rückraumtalent Louis Waldraff, der sich dem Verbandsligisten SV Fellbach angeschlossen hat. Zudem steigt Arian Pleißner, auf den man trotz seiner jüngsten Verletzungsseuche große Stücke hält, erst im Januar nach einem Auslandssemester wieder ins Training ein. Das Gmünder Gerüst allerdings bleibt unverändert, die Eingespieltheit soll der große Trumpf bleiben. „Jeder hat seine klare Rolle und in diesem Moment ist es, wie wenn ein Auto auf Schienen läuft“, lobt Jürgen Rilli. Der Sportliche Leiter hat seine Hausaufgaben gemacht und ist überzeugt, „dass wir mit dem jetzigen Kader noch mehr Potenzial und noch mehr Möglichkeiten besitzen.“

Mit Simon Neumaier (JANO Filder) und Lenny Schwenk (FA Göppingen U19) haben sich die Gmünder erneut zwei Talente aus der Region geangelt, die mit einem Zweitspielrecht ausgestattet wurden. Menschlich haben sich die Teenager längst bestens eingefügt, doch sportlich müssen sie sich erst noch herantasten. Und das aus gutem Grund: Neumaier bestritt mit den Nachwuchsteam der USA im Sommer sowohl die Weltmeisterschaften der U21 als auch der U19, fehlte damit entschuldigt. „Sie inhaltlich zu integrieren wird eine Aufgabe während der Saison sein“, hofft Fröhlich auf viele Einsatzzeiten der beiden A-Jugend-Bundesligaspieler.
Ein Novum: Fünf Linkshänder beim TSB
Ganz anders ist es beim neuen Rechtsaußen Florian Abele, der einen hervorragenden ersten Eindruck hinterlassen hat. Was Einsatz und Teamgeist angeht, ist der Youngster prädestiniert dafür, um den langjährigen Einzelkämpfer Wolfgang Bächle auf dem Flügel zu entlasten. „Flo braucht keine Spielzeiten aus Gefälligkeit“, unterstreicht der Trainer, „schon kurz- und mittelfristig ist er für uns eine wichtige Option.“ Fünf Linkshänder stehen damit im Gmünder Aufgebot – so viele wie noch nie zuvor. Mit dem Comeback von Tobias Klemm ist außerdem das Torwarttrio wieder vollständig.

Neue Feinheiten sind es also, die den erfolgsgierigen TSB auszeichnen. Auf das bewährte Fundament lässt sich beruhigt aufbauen. Die kongenialen Spielmacher Tom Abt und Kai Schäffner oder auch der trickreiche Linksaußen Niklas Burtsche – alle drei zählten zu den besten 15 Werfern der vergangenen Regionalliga-Runde – sind längst über den Talentstatus hinausgewachsen. „Es sind immer noch die gleichen Spieler, über die letztes Jahr einige gedacht haben, sie steigen ab“, bemerkt Fröhlich: „Und es sind immer noch die gleichen Spieler, die sich zerreißen müssen, um das Gegenteil zu beweisen.“ Nun gibt es auch die Möglichkeiten, um den Stammkräften mehr Verschnaufpausen zu gönnen. Ob das ein Vor- oder Nachteil ist? Fröhlich verspricht: „Wir werden unsere verschiedenen Spielertypen nutzen. Ich sehe aber auch nicht, dass wir im Rückraum 20 verschiedene Varianten hätten.“
Jedes Spiel gewinnen? „Das ist keine Floskel“
Immer höher, immer weiter, immer besser. Ob dann am Ende wieder der dritte Platz herausspringt oder sogar mehr, für den Trainer spielt das keine Rolle: „Es kann auch sein, wir laufen auf Platz zehn ein. Wir haben es nicht in der Hand, wie gut unsere Gegner arbeiten. Für uns geht es nur darum, uns in allen Belangen zu verbessern.“ Von Spiel zu Spiel denken und im Optimalfall jede einzelne Partie zu gewinnen. In Fröhlichs Gedanken ist das keine Floskel, sondern Gesetz.

„Wir waren gut, wir waren konstant“, blickt er ein letztes Mal zurück auf das bislang Geleistete: „Aber wir können es immer noch besser. Wir können weniger Tore kassieren, mehr Tore werfen“ Diese notorische Unzufriedenheit versteht er als Antrieb, den die Mannschaft längst verinnerlicht hat. „Voriges Jahr hatte jeder Spieler das Gefühl, dass er um sein Leben kämpfen muss, damit es funktioniert. Wenn wir das nicht wieder zeigen, dann werden wir nicht so gut sein – egal, wie wir uns taktisch verhalten oder welche Spieler auf dem Feld stehen.“
Die Arbeit am zweiten Höhenflug der Jets hat gerade erst begonnen.
Die Arbeit am zweiten Höhenflug der Jets hat gerade erst begonnen.