"Wir stecken vollkommen zurecht in dieser Situation"

 

Handball, Baden-Württemberg-Oberliga: Der Abstiegskampf in der Oberliga Baden-Württemberg geht in seine heiße Phase – Der TSB Gmünd muss noch in vier direkten Duellen bestehen 

Fünf Spieltage vor Saisonende geht der Oberliga-Abstiegskampf seinem spannenden Finale entgegen: Sechs Vereine müssen noch zittern und werden nach aktueller Ausgangslage vier Absteiger sowie einen Relegationsteilnehmer unter sich ausmachen – als Tabellenviertletzter steht der TSB Gmünd daher unter gehörigem Zugzwang. 

Die ernüchternde Rückrunde: Vor dem Jahreswechsel hatte Trainer Michael Hieber den eigenen Anhängern einen "neuen TSB" versprochen, der in der Rückrunde auf einem höheren Niveau spielen und einige Gegner überraschen werde. Der Masterplan, mit dem wiedergenesen Spielmacher Aaron Fröhlich zu alter Stärke zurückzufinden, scheint nun allerdings misslungen. Denn mit erst drei Siegen und 6:14 Punkten zählen die Gmünder im Jahr 2018 zu den formschwächsten Teams der Liga. "Die Fakten sprechen dafür, dass ich meine Mannschaft vielleicht überschätzt habe", merkt Hieber selbstkritisch an. Oftmals verlor der TSB zuletzt jeweils in der zweiten Spielhälfte den Faden, was laut dem Coach aber auch in Relation zum vorhanden Potenzial stehe: "Wir sind an Grenzen gestoßen, unser Leistungsniveau in der aktuellen Situation entspricht in etwa unserer Platzierung", verweist Hieber darauf, dass man nur drei Saisonspiele in absoluter Bestbesetzung angehen konnte. Beim 39:27-Kantersieg in Remshalden hatten die Gmünder einen wahren Glanztag erlebt, doch anstelle von zwei erhofften Heimerfolgen folgten gegen Weinsberg (33:41) und Plochingen (29:32) empfindliche Rückschläge. "Wir stecken nun vollkommen zurecht in dieser prekären Situation", sagt Hieber, der für den jüngsten Auftritt seiner Mannen "keine Entschuldigungen" sieht. "Wie wir uns gegen Plochingen präsentiert haben, war nicht oberligareif und da muss sich die Mannschaft harte Kritik gefallen lassen", so ärgerte sich der 40-Jährige vor allem über fehlende Gegenwehr in einem so bedeutsamen Heimspiel. Hieber: "Das war ein Unding, nicht erklärbar und für mich immer noch ein rotes Tuch. Ich habe mich das ganze Jahr vor die Mannschaft gestellt, in diesem Fall bin ich dazu nicht bereit."

 

Die Ausgangslage: "Wir sind inzwischen klarer Außenseiter", so beschreibt Hieber die sportliche Situation bei noch fünf ausstehenden Spieltagen. Der TSB (13./17:33 Punkte) steckt gemeinsam mit den punktgleichen Amicitia Viernheim (12.), TSV Blaustein (14.) und SG Lauterstein (15.) ganz tief drin im Abstiegssumpf. Schlusslicht TSV Deizisau (16./14:36) ist noch keinesfalls abgeschlagen, während sich umgekehrt der SV Remshalden (11./19:31) am rettenden Ufer befindet. Mindestens vier, bestenfalls fünf Kontrahenten sollten die Gmünder bis zum Saisonende hinter sich lassen, um den Klassenverbleib feiern zu können. Während die aufgeführten Kellerkinder ganz eng beieinander liegen, konnte sich ein Trio ein sicheres Polster zur Gefahrenzone aufbauen: Für die beiden Liganeulinge TuS Steißlingen (8./25:25 Punkte) und Neckarsulmer SU (10./21:29) sowie für die TSG Söflingen (9./24:26) dürfte im Normalfall nichts mehr anbrennen. 

 

Die Konkurrenten: Während der TSB angesichts von nur einem Sieg aus den vergangenen fünf Partien Federn ließ, konnten die Konkurrenten ihre eigene Stärke teils eindrucksvoll unter Beweis stellen. Blaustein glänzte zuletzt durch einen 31:29-Überraschungserfolg gegen Spitzenreiter Baden-Baden. Lokalrivale Lauterstein erhielt den Kontakt zum rettenden Ufer durch wichtige Erfolge in Remshalden (38:29) sowie gegen Weinsberg (33:30) aufrecht, kasssierte dann jedoch gegen Tabellennachbar Viernheim eine 22:35-Klatsche vor heimischer Kulisse. Schlusslicht Deizisau besitzt derzeit die schlechtesten Karten und konnte erst einen Sieg im 2018 bejubeln. Die enorm verletzungsgeplagten Remshaldener mussten zwei herbe und deutliche Rückschläge in ihren jüngsten Heimspielen gegen Lauterstein (29:38) und Gmünd (27:39) einstecken, behielten aber in Blaustein mit 33:30 die Oberhand. Kurz gesagt: In diesem Abstiegskampf kann jeder jeden bezwingen. Bei Punktgleichheit entscheiden letztendlich die direkten Vergleiche, den der TSB bislang einzig und allein gegen Remshalden für sich entscheiden konnte. 

 

Die Zahl der Absteiger: Die Absteigerkonstellation in der Oberliga ist im Wesentlichen abhängig von der Tabellensituation in der 3.Liga Süd. Dort sitzen fünf Teams im Tabellenkeller fest: HC Oppenweiler/Backnang (19:31 Punkte), TuS Dansenberg (19:31), TV 1893 Neuhausen (16:34), TV Hochdorf (15:35) und SG Köndringen-Teningen (12:38). Drei feste Absteiger gibt es in der Drittklassigkeit und da drei der oben aufgeführten Teams aus Baden-Württemberg stammen, wird mindestens eines den bitteren Gang hinab in die BWOL antreten müssen. Im aus Gmünder Sicht bestmöglichen Fall kommt nur ein Drittligist hinunter in die Oberliga, wodurch sich dort vier Absteigsplätze ergeben. Fünf Spieltage vor Saisonende befinden sich allerdings Neuhausen wie auch Köndringen-Teningen auf dem Sprungbrett nach unten, weshalb die Oberligisten derzeit zusätzlich zu den vier Absteigern mit Rang 12 als Relegationsplatz kalkulieren müssen. Drei Wochen nach Saisonende müssten dann Hin- und Rückspiel gegen einen zuvor ausgespielten badischen oder württembergischen Vizemeister über Auf- und Abstieg entscheiden. "Die Relagation würde ich sofort unterschreiben", sagt Hieber. Der TSB-Coach ist verständlicherweise kein Freund dieser komplizierten Sachlage: "Dass immer ein Drittel der Oberliga absteigt, ist zu viel. Dadurch gestaltet sich die Planung für alle Beteiligten sehr schwierig. Doch wir müssen das hinnehmen und wollen am Ende nicht unter den Absteigern sein."

 

Die Gmünder Mannschaft: Nach den zurückliegenden Enttäuschungen nimmt Michael Hieber seine Mannschaft mit deutlichen Worten in die Pflicht: "Wir müssen jetzt endlich den Kampf annehmen, es gibt keine Alibis mehr." Doch die personelle Lage hat sich nur unwesentlich verbessert. Eine schnelle Rückkehr von Abwehrchef Christian Waibel nach mehrmonatiger Pause scheint äußerst fraglich, die Rückraumspieler Philipp Schwenk und Dominik Sos waren zuletzt nur eingeschränkt belastbar. Die beiden bosnischen Neuzugänge Belmin Nadarevic und Anis Bojic haben zwar ihr Potenzial bereits angedeutet, Hieber warnt allerdings vor "zu großen Erwartungen." Zuletzt waren im Training alle Mann im Bord, doch wer auflaufen kann, wird sich erneut kurzfristig entscheiden. Hieber spielt daher mit dem Gedanken, seinen langjährigen Weggefährten Simon Frey (36) ins Aufgebot zu berufen. Der Spielertrainer der zweiten Mannschaft ist ein Paradebeispiel dafür, was Hieber derzeit einfordert: "Meine Spieler müssen aufhören, nach Ausreden zu suchen und stattdessen versuchen, alles reinzusetzen. Wenn es dann nicht mit dem Klassenerhalt klappt, bin ich der letzte, der böse sein wird." 

 

Das Restprogramm: Um sich in der Oberliga halten zu können, benötigt der TSB einen äußerst erfolgreichen Schlussspurt. "Wir müssen mindestens vier unserer verbleibenden fünf Endspiele gewinnen", fordert Hieber vor dem heißen Saisonfinale. Beim Tabellenletzten Deizisau sowie anschließend gegen die beiden aktuellen Tabellennachbarn Viernheim (H) und Blaustein (A) muss der TSB zwingend bestehen. Zum Abschluss dürften zwei Kracher bevorstehen: Im letzten Heimspiel wartet gegen den Aufstiegsaspiranten TV Willstätt die wohl schwerste Aufgabe im Gmünder Restprogramm, ehe am 05.Mai das äußerst brisante Saisonfinale beim Lokalrivalen SG Lauterstein bevorsteht. Das Derby könnte ein Krimi werden, sollte es für beide Seiten im Abstiegskampf um alles oder nichts gehen. "Außer Viernheim haben wir unsere direkten Duelle allesamt auswärts und müssen dort auch gewinnen", meint Hieber. 27 Punkte waren die Devise für den sicheren Klassenverbleib, wären aber nur noch bei einer makellosen Bilanz von 10:0 Punkten erreichbar. Der TSB-Trainer will nur von Spiel zu Spiel denken und fordert eine Reaktion seiner Spieler auf dem Feld. "Ich werde die Mannschaft so vorbereiten, wie ich es auch in den letzten 20 Jahren gemacht habe und wie es auch in 95 Prozent der Fälle richtig war", erklärt Hieber. Für ihn steht fest: "Ich spreche meiner Mannschaft den Willen nicht ab, aber sie haben es noch nicht verstanden, den Kampf anzunehmen und ihre Energie vollständig auf den Platz zu bringen. Wenn wir das nicht tun, dann steigen wir zurecht ab."

 

(Nico Schoch)