"Es geht um soziale Kompetenz, nicht um Handball"

 

Hintergrund: Der TSB Gmünd will seinen bosnischen Neuzugängen Anis Bojic und Belmin Nadarevic eine längerfristige Perspektive bieten

Durch einen "glücklichen Zufall", wie Trainer Michael Hieber betont, konnte der TSB Gmünd zwei talentierte Neuzugänge gewinnen: Anis Bojic (22) und Belmin Nadarevic (19)

nehmen bereits seit zwei Wochen am Trainingsbetrieb des Oberligisten teil, bis zum kommenden Wochenende soll für beide auch eine Spielberechtigung vorliegen. Die beiden jungen Bosnier haben allerdings einen schweren Weg hinter sich und wollen nun in Gmünd eine neue Perspektive finden.

"Mit den beiden Jungs sind wir wie die Jungfrau zum Kinde gekommen", erzählt Michael Hieber. Infolge der Vermittlung durch TSB-Schiedsrichterobmann Cristian Marin nahm der Trainer das Duo ins Mannschaftstraining auf, in dem beide einen guten Eindruck hinterließen. Hieber spricht von "zwei sehr interessanten jungen Männern mit einem feinen Charakter" und stellt zugleich klar, dass es sich "gegenüber der weitläufigen Meinung nicht um Profihandballer handelt." Vielmehr seien Bojic und Nadarevic bereit, vor Ort eine Arbeit zu finden. "Die Jungs wollen sich hier ein Leben aufbauen, es geht überhaupt nicht um irgendwelche Gelder für das Handballspielen", fasst Hieber die bisherigen Gespräche zusammen. Dabei war man folgerichtig zu dem Schluss gekommen, dass man für die Neuzugänge eine Arbeitsstelle finden muss, um sie auch in Gmünd halten zu können. Denn zunächst besitzen beide lediglich eine dreimonatige Aufenthaltsgenehmigung und die Suche nach einer beruflichen Perspektive gestaltet sich auch aufgrund der sprachlichen Barriere entsprechend schwierig. 

Doch Hieber zeigt sich optimistisch, dass das bosnische Duo in der Stauferstadt eine Chance bekommen wird. Er weist dabei besonders auf die bestehende Problematik am deutschen Arbeitsmarkt hin: "Wir wollen niemandem etwas wegnehmen, ganz im Gegenteil sogar. Denn viele Arbeitsgeber finden in ihren Aufgabenbereichen kein Personal. Wir müssen die beiden Jungs nun entsprechend vermitteln, damit sie längerfristig hier bleiben können." Der TSB-Coach spricht von einer aufwendigen Herausforderung, der Hauptantrieb sei allerdings der soziale Aspekt. Schließlich bestehe mit der engagierten Flüchtlings- und Integrationspolitik durch die Stadt Schwäbisch Gmünd ein guter Background. "Wir stehen für die Integration junger Leute und müssen auch für diese beiden eine Perspektive finden." 

Denn das, was Bojic und Nadarevic in den vergangenen Wochen durchlebten, sei "herzzerreißend", so Hieber. Nach der Insolvenz ihres Clubs RK Bosna Sarajevo seien die beiden mit zahlreichen anderen talentierten Handballern aus ihrer Heimat in einen Bus nach Deutschland gesetzt worden. Hieber kennt auch die Beweggründe: "Ihnen sind Probetrainingseinheiten versprochen worden, die dann aber nicht zustande gekommen sind. Sie sind dann den ganzen Tag herumgesessen, ohne dass sich jemand um sie gekümmert hat." Durch einen Zufall und vor allem dank Marin seien sie dann zum TSB gelangt. "Es geht uns weniger um den Handballsport als um unsere soziale Kompetenz", sagt der Trainer. 

 

Doch auch in sportlicher Hinsicht traut man den Neuen vieles zu. "Wir haben einfach Glück gehabt", weist Hieber erneut darauf hin, dass der TSB keinesfalls ausländische Profis für den Abstiegskampf engagiert hat: "Diese Behauptung ist absoluter Quatsch." Das große Potenzial sei jedoch unverkennbar, auch wenn der Chefcoach davor warnt, in Superlativen zu sprechen. Doch besonders auf Rechtshänder Anis Bojic hält er große Stücke: "Er ist ein hochtalentierter Spieler, der über seine Dynamik und Aggressivität kommt und uns damit relativ schnell in der Abwehr weiterbringen wird." Der 22-Jährige fühlt sich im linken Rückraum wohl, hat in Sarajevo auch schon als Kreisläufer gespielt. Der 19-jährige Belmin Nadarevic hingegen ist ein gelernter Rechtsaußen und außerdem bosnischer Jugend-Nationalspieler. "Wir sind nicht so vermessen, dass wir unsere Eigengewächse und bisherigen Eckpfeiler zurückdrängen wollen", erklärt Hieber. Mit Nadarevic würde allerdings ein passender Nachfolger bereitstehen für Sebastian Göth, welcher im Sommer seine Karriere beenden wird. "Einen Eins-zu-Eins-Ersatz in dieser Qualität würden in der Region sonst nicht finden", frohlockt der Gmünder Trainer. 

 

Nur allzu gerne hätte Michael Hieber seine beiden Neuzugänge bereits am vergangenen Sonntag in Baden-Baden zum Einsatz gebracht, doch die nötige Spielberechtigung ließ weiterhin auf sich warten. "Die Spielerpässe liegen derzeit beim Deutschen Handballbund, bis zum Wochenende könnte es klappen", hofft er. Im Optimalfall könnten Nadarevic und Bojic somit im kommenden Heimspiel gegen die TuS Steißlingen (Samstag, 19:30 Uhr) ihr Debüt im TSB-Trikot bestreiten. Hieber warnt zunächst jedoch vor zu großen Erwartungen: "Beide kommen in ein komplett fremdes Land und müssen sich erst einmal zurecht finden. Doch sie haben die nötigen Voraussetzungen und werden uns mittelfristig enorm verstärken. So könnte es vielleicht noch eine richtig glückliche Geschichte für den Verein und vor allem für diese beiden Jungs werden."