"Es braucht Zeit, Geduld und viel Arbeit": Das WM-Fazit von Dragoș Oprea

Die größte Handball-Weltmeisterschaft aller Zeiten mit 32 Teams – und das ausgerechnet während der Corona-Pandemie – ist Geschichte. Dänemark hat seinen Titel verteidigt, während das ersatzgeschwächte deutsche Team als Zwölfter die schlechteste Platzierung der Verbandsgeschichte einfuhr. Dragoș Oprea, vergangenen Sommer beim TSB Gmünd ins Trainergeschäft eingestiegen, hat das internationale Schaulaufen in Ägypten aus der Ferne besonders interessiert verfolgt.


„Denn man lernt nie aus“, betont der 38-Jährige, der während seiner aktiven Karriere 23 Länderspiele absolvierte. 21 davon für die deutsche Mannschaft und zwei weitere für sein Heimatland Rumänien. Die Teilnahme an einem großen Turnier allerdings blieb dem zweimaligen Europapokalsieger verwehrt, obwohl der Linksaußen bei der EM 2010 immerhin im erweiterten Kader von Trainer-Legende Heiner Brand stand. Während dem TSB Gmünd in der Oberliga Baden-Württemberg der coronabedingte Saisonabbruch droht, sammelte Oprea während der WM neue Erkenntnisse.
 
Dragoș Oprea über...
 
...den alten und neuen Weltmeister Dänemark: „An dieser Stelle möchte ich Nikolaj Jacobsen und die dänische Mannschaft für ihre tolle Leistung beglückwünschen. Für mich war vor dem Finale klar: Die Mannschaft mit der besseren Torhüterleistung wird Weltmeister – und das war Dänemark. Ich hätte es Schweden auch sehr gegönnt, denn Sie haben viel konstantere Leistung im Laufe der WM abgerufen.“
 
...den besten Handballer der Welt: „Es muss nicht immer ein Feldspieler sein. Entscheidend nicht nur im WM-Finale war der dänische Torwart Niklas Landin. Die konstante Leistung, die er seit Jahren auf Top-Niveau abruft, sowie die Erfolge, die er zuletzt gefeiert hat, sprechen dafür, dass er wie schon 2019 zum Welthandballer gekürt wird.“
...die deutsche Mannschaft: „Meiner Meinung nach ist die deutsche Mannschaft nicht so weit von der Weltspitze entfernt, wie viele Experten meinen. Allerdings war zu sehen, dass andere Nationen auch nach vorne kommen wollen, Umbrüche gemeistert und sich stark verbessert haben. Die Konkurrenz schläft nicht. Ich bin mir sicher, dass niemand aus der deutschen Delegation zufrieden mit dem zwölften Platz war. Es ist aber auch nicht richtig, jetzt alles in Frage zu stellen. Wichtig wird sein, aus diesem Turnier die richtigen Lehren zu ziehen, die Stärken zu stärken und die Schwächen abzuschwächen.“
 
...die Arbeit von Bundestrainer Alfred Gislason bei seinem ersten WM-Turnier: „Alfred ist der perfekte Trainer zum richtigen Zeitpunkt. Daran ändert auch das frühe Ausscheiden nichts. Ich bin mir sicher, dass die erhofften Ergebnisse auch kommen werden. Dazu braucht es Zeit, Geduld und viel Arbeit.“
 
...die Leistung von Ex-Mitspieler Kai Häfner: „Kai hat einmal mehr bewiesen, dass er eine sehr große Stütze im DHB-Team ist. Wenn es eng wird, ist er einer, der voran geht und das Team auch führen kann.“


Da waren sie noch Mitspieler bei Frisch Auf Göppingen: Oprea (#5) und Häfner (#18) zu Beginn der Saison 2009/10


...das Potenzial der deutschen Mannschaft: „Ich bin sehr positiv gestimmt, was die Zukunft der deutschen Mannschaft bringen wird. Wir haben gute Spieler, starke Spieler, kampfstarke Spieler, intelligente Spieler, schnelle Spieler, junge und auch erfahrene Spieler. Hinzu kommen sehr gute Torhüter und ein super Trainerteam um Alfred Gislason.“
 
...die deutschen Chancen auf Olympia-Gold: „Darüber kann man sich erst unterhalten, wenn man auch sicher für Olympia qualifiziert ist. Da das aktuell noch nicht der Fall ist, wäre alleine die erfolgreiche Qualifikation schon einmal Gold wert.“
 
...die Überraschung des Turniers: „Ich habe mir viele Spiele der ungarischen Mannschaft angeschaut. Niemand hatte im Vorfeld damit gerechnet, dass sie den fünften Platz erreichen würden. Deshalb ist Ungarn für mich die größte Überraschung des Turniers.“
 
...die größte Enttäuschung des Turniers: „Als größte Enttäuschung würde ich es nicht einstufen, allerdings hat die kroatische Nationalmannschaft mit Sicherheit nicht ihr bestes Turnier gespielt.“
 
...die Entdeckung des Turniers: „Als Team, ganz klar die ungarische Nationalmannschaft. Angeführt von Spielmacher Mate Lekai haben Sie für die eine oder andere Überraschung gesorgt.“
 
...seinen langjährigen Göppinger Trainer Velimir Petkovic: „ Ich habe mir sehr viele WM-Spiele angeschaut, denn man lernt nie aus. Die Arbeit von Petko mit der russischen Nationalmannschaft hat mich besonders interessiert. Was ich dort gesehen habe, hat mir sehr gut gefallen.“
...seinen persönlichen Lieblingsspieler: „Der Spanier Raúl Entrerríos verkörpert genau das, was man von einem Führungsspieler erwartet. Es macht einfach Spaß zu sehen, mit welcher Kreativität und welchem Spielwitz er Handball spielt – und das mit immerhin 39 Jahren.“
 
...die spielerischen Erkenntnisse des Turniers: „Aus den spanischen wie auch aus den schwedischen Deckungsvarianten konnte ich sehr viel mitnehmen. Es handelt sich dabei zwar um zwei völlig unterschiedliche, allerdings sehr wirkungsvolle Systeme.“
 
...die Turnierorganisation und das Corona-Konzept: „Es gab zu Turnierbeginn einige Sachen, die nicht so funktioniert haben oder eingehalten wurden wie vorher besprochen. Doch nach ein paar Tagen wurde alles behoben.“
 
...das Gefühl, Handball nur vor dem Fernseher zu erleben: „Der Handball fehlt mir, aktuell sowieso mehr denn je. Die WM hat meinen Entzug auf jeden Fall ein wenig gelindert. Es hat sehr viel Spaß gemacht, täglich attraktiven Handball sehen zu können.“
(Text: Nico Schoch - Bilder: Nico Schoch (2), Getty Images (3), Frisch Auf Göppingen, Jörg Frenze)