Lasche zweite Hälfte als Warnschuss

 

Der Saisonstart hätte für den TSB Gmünd kaum besser verlaufen können: Durch den 33:20-Kantersieg gegen Liganeuling Hohenems führt die Klaus-Sieben zumindest für eine Woche die noch nicht aussagekräftige Tabelle der Württembergliga Süd an. Ein statistischer Nebeneffekt, den angesichts weitaus schwieriger Gegner in den kommenden Wochen niemand überbewerten will.


Viel Ballast ist am vergangenen Samstagabend von den TSBlern abgefallen. Beispielsweise von Tormann Sebastian Fabian, der in der ersten Halbzeit die Hälfte der wenigen gegnerischen Torwürfe parierte. Auch der Abwehrblock mit Christian Waibel und Lukas Waldenmaier, der nach nur sieben Gegentreffern in den ersten 30 Minuten von Coach Stefan Klaus ein ausdrückliches Kompliment ausgesprochen bekam. Von der defensiven Stabilität und den daraus entstehenden Kontersituationen profitierte insbesondere der siebenfache Torschütze Wolfgang Bächle. Im Angriff konnten die TSBler nicht nur das von Klaus angekündigte Tempo auf die Platte bringen, sondern knackten wie bereits in der Vorwoche beim Pokalspiel in Steinheim (35:30) die 30 Tore-Marke knacken. Die beiden 18-jährigen Neuzugänge Hendrik Prahst und Lukas Kauderer feierten ein durchaus gelungenes Ligadebüt, die knapp 300 Zuschauer spendeten Applaus für eine rundum gelungene Leistung. Alles in allem vermittelten die Gmünder das Gefühl, dass die letzte Saison endgültig abgehakt ist. "Alles ist wieder auf Null gestellt", sagte TSB-Kapitän Fabian.

Stefan Klaus ärgerte sich letztlich darüber, dass man es nicht geschafft hatte, unter 20 Gegentoren zu bleiben. Natürlich war das Jammern auf hohen Niveau, aber zugleich das gute Recht und sogar Pflicht des neuen Trainers, den Finger in die Wunde zu legen. "Ich kann nicht damit zufrieden sein, wie wir an die zweite Hälfte herangegangen sind", meinte der 41-Jährige nach Spielende, "wir haben den Hohenemsern das eine oder andere Tor zu leicht gemacht und waren insgesamt nicht konsequent genug."

Was wiederum verblüffte: Das Team ging ebenso selbstkritisch mit der eher durchwachsenen Leistung nach dem Seitenwechsel um, niemand wollte den Sieg mit 13 Toren Unterschied gegen ersatzgeschwächte Gäste überbewerten. Tormann Giovanni Gentile etwa freute sich zwar über seinen ersten gehaltenen Siebenmeter und ersten eigenen Torerfolg im Aktivenbereich, zeigte sich aber ebenso selbstkritisch: "Es war ein super Gefühl, dass ich die Chance erhalten habe, mich zu zeigen und das macht mich auch ein wenig stolz. Die Teamleistung war gut, auch wenn wir in der zweiten Hälfte nachgelassen haben." Sein Vordermann Lukas Waldenmaier zog ein ebenso zweigeteiltes Fazit: "Die erste Halbzeit war sehr ordentlich, wir haben gut gedeckt und haben immer wieder schnelle Konter gespielt." Anschließend sei bei weitem nicht alles optimal gelaufen, bilanzierte der Defensivspezialist: "Wir haben in jedem Fall noch Luft nach oben."

Es scheint ganz so, als sei nach der frustrierenden Abstiegssaison tatsächlich ein Umdenken eingetreten. Getreu dem Motto: Demut statt Selbstzufriedenheit. Da war es keinesfalls überheblich, dass Dominik Sos gegen Hohenems ein "deutlich höheres Ergebnis" hatte sehen wollen. "Es war ein Start nach Maß", betonte der Rückraumlinke, schob aber gleich einmal hinterher: "Wir waren in der zweiten Hälfte nicht mehr so konsequent wie zuvor. Wenn wir genauso weiter gespielt hätten wie zuvor, wäre es deutlich geworden."

Die Gäste konnten zwar nicht mehr am Ergebnis rütteln, das mit 33:20 ohnehin nur noch Makulatur war – doch die lasche Einstellung nach der Pause hat den Gmündern deutlich dargelegt, wie es nicht geht. Zwar konnte der TSB auch die zweite Hälfte mit 15:13 für sich entscheiden und es war kein plötzlicher Bruch im Spiel zu finden. In puncto Konsequenz und Präzision ließ die Klaus-Sieben zwischenzeitlich jedoch einiges vermissen, was zumindest in mentaler Hinsicht verständlich schien. Immerhin waren die Hausherren bereits nach 20 Minuten erstmals mit zehn Toren Unterschied in Front gegangen.

Der ungefährdete Auftakterfolg war Balsam auf die Seele des Oberliga-Absteigers, der in der abgelaufenen Rückrunde lediglich drei Heimspiele gewonnen hatte, aber unterm Strich auch nicht mehr als ein Pflichtsieg. Das Potenzial, in der Spitzengruppe der Württembergliga mitzumischen, hat man angedeutet, doch auch Jürgen Rilli warnt vorerst vor zu hohen Erwartungen. "Wir werden uns von diesem deutlichen Sieg nicht blenden lassen", mahnte der sportliche Leiter zugleich vor der kommenden Auswärtsaufgabe: "In Ostfildern wartet bereits ein größeres Kaliber auf uns."

Betrachtet man die zweite Halbzeit gegen Hohenems, so muss am kommenden Samstag wieder eine Leistungssteigerung erfolgen. Die HSG Ostfildern ist zwar ebenfalls "nur" ein Aufsteiger, jedoch einer, vor dessen Qualitäten man sich insbesondere in fremder Halle in Acht nehmen sollte. Mit der beeindruckenden Rückrundenbilanz von 28:2 Punkten war die HSG in der Vorsaison zur Meisterschaft in der Landesliga 2 marschiert. Stefan Klaus warnt insbesondere vor den beiden Rückraumroutiniers Dennis Saur (36) und Mihailo Durdevic (32), die zuvor für die SG Bottwartal aufgelaufen waren, und nun die beiden Führungsspieler in Ostfildern sind. Dass auf Gmünder Seite Jan Häfner (Angerissene Sehne im Daumen der Wurfwand) und voraussichtlich auch Jonas Waldenmaier (Sprunggelenksverletzung) nicht mitwirken können, bereitet dem Trainer kein Kopfzerbrechen. "Wir haben gesehen, dass wir in der Mannschaft viele Möglichkeiten haben, das zu kompensieren", so Klaus.

Auch hat Klaus natürlich beobachtet, dass die Konkurrenz am ersten Spieltag bereits das ein oder andere Ausrufezeichen gesetzt hat. Allen voran zu nennen ist der TSV Wolfschlugen, der gegen den amtierenden Vizemeister HSG Langenau/Elchingen – für Klaus und Rilli einer der heißen Aufstiegskandidaten – einen deutlichen 31:21-Heimsieg landen konnte. Mitabsteiger TSV Deizisau landete einen 36:34-Sieg in der als "Hölle Süd" berüchtigten Argentalhalle der MTG Wangen.

Die erste Erkenntnis: Der TSB ist auf den richtigen Weg eingeboten, hat aber eben erst zwei Punkte eingefahren und noch mehrere Stolpersteine vor sich. Ostfildern dürfte für die Gmünder der erste knackige Härtetest in der diesjährigen Württembergligasaison darstellen.

(Nico Schoch)