Er jubelt meist nur für sich, er redet wenig – aber wenn es am meisten auf ihn ankommt, dann ragt Torwart Daniel Mühleisen heraus. Seine Paraden und die starke Abwehr öffnen dem TSB Gmünd eine neue Tür im Aufstiegsrennen.

Während auch eine Stunde nach Spielende noch laute Musik durch die Große Sporthalle dröhnte, da saß Daniel Mühleisen ganz für sich alleine in der Kabine. Der introvertierte TSB-Torwart hatte den 32:29-Sieg gegen den TV Bittenfeld II erst möglich gemacht, brauchte aber auch diesen Moment der Ruhe. Zumal er in der allgemeinen Feierlaune so ziemlich der Einzige war, der sich innerlich über den verlorenen Direktvergleich ärgerte. Genau ein Tor hatte gefehlt, nachdem die Gmünder das Hinspiel in Bittenfeld vor vier Monaten mit 29:33 verloren hatten. Das könnte am Saisonende den Ausschlag geben, falls die beiden Rivalen punktgleich sein sollten. Stand jetzt liegt der TSB (46:8 Punkte) einen Zähler hinter dem zweiten Aufstiegsplatz zurück, ist an den verbleibenden beiden Spieltagen also auf eine weitere Niederlage der sonst ebenfalls souveränen Bittenfelder (47:7) angewiesen.
Mühleisen, ganz in sich gekehrt, ist kein Mann der großen Worte und fand dennoch die richtigen Worte: „Hätte man mir am Anfang der Saison gesagt, wir sind Tabellendritter und spielen bis zum Schluss um den Aufstieg mit, dann hätten wir das alle sofort unterschrieben.“ Trotzdem gibt es bei den Jets keinen Anflug von Selbstzufriedenheit. Erst recht nicht, seitdem Aaron Fröhlich mit seiner ambitionierten Denkweise das Traineramt übernommen hat. Und schon gar nicht beim stillen Helden, der zwischen den Pfosten steht.
Still, bescheiden – und überragend
Über die eigene Leistung war Mühleisen zwar glücklich. Halb lachend, halb ernsthaft fügte er aber sofort hinzu: „Drei Bälle, die ich hätte halten müssen, nerven mich extrem.“ Diese Selbstkritik war von solch hohem Niveau, auf dem sich auch das Topspiel bewegt hatte. Ein offener Schlagabtausch, für den das Torwartduell sinnbildlich war. In der ersten Viertelstunde ebneten Mühleisens Rettungstaten den Weg zu einer 12:10-Führung, doch auch sein Gegenüber war bestens aufgelegt. Nick Lehmann, der für den TVB Stuttgart sowie die SG BBM Bietigheim bereits in der 1. und 2. Bundesliga auflief, kaufte den Gmündern mehrere Rückraumwürfe plus vier Strafwürfe ab. Nach Niklas Burtsche und Kai Schäffner scheiterte auch der achtfache Torschütze Tom Abt von der Siebenmeterlinie an Lehmann.

Als der Rückstand auf 21:24 (48.) anwuchs, da beschlich auch Mühleisen ein ungutes Gefühl. „Für einen kurzen Moment dachte ich, jetzt brechen wir ein. Aber unsere Abwehr ist noch einmal hochgefahren.“ In diesem Zusammenspiel bot der Rückhalt sein Bestes, ließ innerhalb von acht Minuten nur noch einen Gegentreffer zu und leitete zudem die wertvollen Kontertore ein. Beim 25:24 (52.) war die Partie gedreht, mit dem 30:26 (56.) beinahe sicher gewonnen. Wäre das Torhüterduell ein Tennisspiel gewesen, dann hätte Mühleisen den ersten und Lehmann den zweiten Satz gewonnen. Im Tie-Break erzwang der Gmünder dann die Entscheidung. Denn er zeigte die wichtigen Paraden zur genau richtigen Zeit.
Der Ruhepol im jungen TSB-Team
Nach einer Zeitstrafe war Trainer Fröhlich noch einmal volles Risiko eingegangen und Mühleisen durch einen zusätzlichen Feldspieler ersetzt, um auch den direkten Vergleich zu gewinnen. Das ging schief, weil seine Mannen zu hektisch agierten und Bittenfeld zu schnellen Gegenstößen einluden. 60 Sekunden vor Schluss, als es nur noch 31:29 stand, zog TVB-Spielmacher Maurice Widmaier nochmals aus dem Rückraum ab. Doch Mühleisen tauchte ab und begrub den Ball unter sich. Es war seine 13. Parade unter dem Jubel der 1200 Zuschauer. „Am Anfang und am Ende hatte ich richtig Gänsehaut“, bekannte der Matchwinner, der diesen Titel ganz bescheiden ablehnte.

Doch für die junge Mannschaft des TSB ist der 1,95 Meter-Hüne eben wie ein guter Freund: Immer zur Stelle, wenn er am dringendsten gebraucht wird. Ohne große Show, ohne großes Ego. Zusammen mit Zwillingsbruder Stephan Mühleisen ist er längst eine Institution beim TSB Gmünd. Im Sommer 2019 von der SV Remshalden gewechselt, haben der Torwart und der Kreisläufer gemeinsam schon über 100 Viertliga-Spiele für die Jets bestritten. Im Hintergrund packt Vater Wolfgang fleißig mit an, als Teambetreuer und Zeitnehmer bei den Auswärtsfahrten.
Familie Mühleisen bleibt dem TSB treu
Große Töne spuckt Daniel Mühleisen selbst dann nicht, wenn es um seine eigenen Ambitionen geht. Im TSB-Trikot betreibt er die beste Eigenwerbung für einen Stammplatz in der deutschen Beachhandball-Nationalmannschaft, die im Sommer an der Europameisterschaft und den World Games teilnehmen wird. Dass der 28-Jährige gerne auch mit dem Verein einmal höher spielen würde, ist kein Geheimnis. Vor einem Jahr gab es eine Anfrage vom Drittligisten TSV Neuhausen/Fildern, doch da hatte Mühleisen dem TSB schon fest zugesagt und wird den Gmündern auch bis mindestens 2026 die Treue halten. Ob er dann vielleicht sogar in der 3. Liga sein Tor vernageln wird? „Wir machen unsere Hausaufgaben“, so lautet das Versprechen vor den finalen Partien gegen Blaustein (26.April) und Albstadt (03.Mai): „Wenn es reicht, dann reicht es. Wenn nicht, dann greifen wir in der neuen Runde erneut an.“

(Text: Nico Schoch - Bilder: Frank Bieg, Enrico Immer)