Handball, Oberliga: Einsatz und Kampfgeist stimmen, doch die Talfahrt hält an. Der TSB Gmünd verliert erst seinen Kapitän Nicola Rascher und trotz der bislang besten Saisonleistung auch das Ballmania-Heimspiel gegen den TSV Heiningen mit 28:32 (14:12).
Beim Oktoberfest in der Großsporthalle herrschte eine halbe Stunde nach Spielende reges Treiben. TSB-Trainer Michael Stettner und seine Rückraumstützen Tom Abt und Andreas Maier saßen derweil immer noch ziemlich geknickt auf der Ersatzbank mitten in der Halle zusammen. Das Trio versuchte Erklärungen für das Unerklärliche zu finden. Wie schon eine Woche zuvor in Schutterwald (28:29) waren die ersten Punkte der noch jungen Saison bereits zum Greifen nahe gewesen. Am Ende standen die "Jets" zum dritten Mal mit leeren Händen da. "Es nervt mich einfach, dass sich die Jungs für eine wirklich gute Trainingswoche und eine starke Leistung über 45 Minuten nicht belohnt haben", gab Stettner einen Einblick in seine Gefühlswelt. Mit einem Schulterzucken fügte er noch hinzu: "Da fühlt man sich ein Stück weit machtlos." Das Gmünder Auftreten im Derby hätte ein Mutmacher sein können – wäre da nicht dieses bittere Ende gewesen.
Nie waren die seit Monaten diskutierten Leistungsschwankungen des TSB derart offensichtlich gewesen. In einem rassigen Derby brachte Andreas Maier seine Farben zunächst in Front, danach aber drehten die im Jahr 2023 erst zweimal bezwungenen Heininger auf. Bei den Gästen war Torwart-Neuzugang Marc Krammer von Anfang an auf Betriebstemperatur, während Gegenüber Daniel Mühleisen bis zum 5:7-Rückstand (10.) kaum eine Hand an den Ball bekam. Durch Tore von Tom Abt und Stefan Scholz kämpften sich die Gmünder zurück, bevor das scheinbar schlimmste Szenario eintrat. Nicola Rascher trat aus der Abwehr heraus, um den Heininger Nick Kohnle am Unterarmwurf zu hindern. Die Kugel zappelte im Netz, während beide Spieler zu Boden gingen. Die beiden Unparteiischen erkannten einen Schlag in Kohnles Gesicht und schickten Rascher mit glatt Rot vom Feld (15.). "Er kommt auf einer Höhe von einem Meter angeflogen und prallt in mich rein", zeigte sich der TSB-Kapitän fassungslos über diese harte Entscheidung: "Ich bin mir sicher, dass die Schiedsrichter das gar nicht richtig gesehen und nur auf die Heininger Reaktion reagiert haben."
Der TSB steckte diesen Nackenschlag überraschend gut weg. Abt und Maier fanden nun immer wieder die richtigen Mittel gegen die offensive Deckung der Gäste. Zwischen die Pfosten rückte währenddessen Tobias Klemm, der für eine kurze Phase beinahe jeden gegnerischen Wurf parierte. Einzig ein Distanzwurf auf das leerstehende TSV-Gehäuse misslang dem überragenden Tormann. Von einem seiner cleveren Zuspiele wiederum profitierte der schnell gestartete Linksaußen Eric Zimmermann, der die Gmünder wieder in Führung brachte. Abt legte kurz darauf das 12:10 (22.) nach und lobte später die Trotzreaktion seines Teams: "Nach der Roten Karten wollten wir es allen zeigen und haben auch für Nico Rascher gespielt." Allerdings verpasste es der TSB, direkt vor der Pause weiter davonzuziehen als es beim 14:11 (27.) der Fall war. Hektik machte sich im Gmünder Spiel breit, so dass die hart erkämpften Ballgewinne schnell wieder futsch waren.
Dieses Muster setzte sich nach Wiederanpfiff fort. Patrick Watzl traf zwar zum 15:13 (33.), doch durch schnelle Gegenstöße glich Heiningen postwendend aus. Zumindest diese erste Schwächephase korrigierten die Gmünder. Wolfgang Bächle scheiterte per Siebenmeter zwar an Krammer, doch den Abpraller verwandelte Jonas Waldenmaier zum 16:15 (37.). Durch seine Flügelflitzer Bächle und Zimmermann erarbeitete sich der TSB abermals einen 19:16-Vorsprung (42.). Die Unkonzentriertheiten ließen allerdings nicht nach. Durch technische Fehler und schlampige Zuspiele handelten sich die Jets drei Konter innerhalb von nur 55 Sekunden ein. Die zweite große Chance, den Gästen den Zahn zu ziehen, war verschenkt. Zimmermann ließ mit dem 20:19 (43.) nochmals Jubel aufbranden, danach kippte das Spiel. Felix Weißer warf Heiningen erstmals seit der Anfangsviertelstunde wieder in Front, nach Bächles Ausgleich trumpfte der halblinke Rückraumschütze Nick Kohnle abermals auf. Beim Stand von 21:24 (51.) nahm Stettner nur fünf Minuten nach seiner ersten schon die zweite Auszeit. Machtlos musste der TSB-Coach mit ansehen, wie seinen Mannen die Kräfte und das Selbstvertrauen verloren gingen.
Ein weiterer Aufreger machte das Derby nochmals hitziger: Gästetrainer Mike Wolz fuchtelte am Zeitnehmertisch wild mit der Grünen Karte umher, ohne sie aber abzulegen. Die Sirene zur Auszeit ertönte, doch Kohnles Rückraumkracher zum 23:27 (53.) zählte allen Gmünder Protesten zum Trotz. Danach zerbrach der TSB in seine Einzelteile. Heiningen blieb eiskalt und machte mit vier Toren in Folge zum 24:31 (57.) alles klar. Maier und Bächle gelang bis zum 28:32-Endstand nur noch Ergebniskosmetik. Aus Gmünder Sicht eine mehr als unglückliche, aber wieder einmal selbst verschuldete Niederlage.
Mit 0:6 Punkten ist der TSB-Fehlstart perfekt und der Traum vom Erreichen der Aufstiegsrunde scheint schon zu diesem frühen Zeitpunkt geplatzt zu seiin. "Davon müssen wir uns jetzt komplett freimachen", gibt sich Michael Stettner kämpferisch und trotzig zugleich. Denn beim aktuellen Tabellenfünften TSV Weinsberg, der in Herrenberg mit 42:39 seinen ersten Saisonsieg holte, steht am kommenden Sonntag (17 Uhr / Weibertreuhalle) das erste von zwei Schlüsselspielen bevor. Eine Woche darauf gastieren die ebenfalls noch punktlosen Herrenberger in Gmünd. "Da haben wir trotz allem die Möglichkeit, das Ganze wieder ein bisschen gerade zu rücken", hofft der Trainer: "Die Spieler wissen selbst, dass wir jetzt unter Druck stehen. Wir stellen uns dieser Situation, denn wir haben sie selbst zu verantworten. Wir müssen es endlich schaffen, dass wir über 60 Minuten konstant spielen und nicht nur über 30 oder 45 Minuten." Das ist sicherlich leichter gesagt als getan.
TSB: Daniel Mühleisen, Tobias Klemm – Andreas Maier (6), Wolfgang Bächle (6/1), Tom Abt (5), Eric Zimmermann (4), Stefan Scholz (2), Jonas Waldenmaier (2), Nicola Rascher (1), Arian Pleißner (1), Patrick Watzl (1), Jonas Schwenk, Vincent Pick
TSV: Manuel Weinbuch, Marc Krammer – Nick Kohnle (6), Felix Kohnle (5), Andreas Schaaf (5/2), Felix Neudeck (4), Felix Weißer (3), Chris Zöller (3), Simon Dürner (2), Fabian Gross (2), Finn Krempl (1), Mike Heim (1), Maximilian Mattes, David Schröder, Tassilo Neudeck, Ben Demsky
Siebenmeter: TSB 3/1 – TSV 3/2
Zeitstrafen: TSB 8 Minuten – TSV 8 Minuten
Rote Karte: Nicola Rascher (TSB/15./Grobes Foulspiel)
Schiedsrichter: Christian Gebele (TG Altdorf), Timo Widmann (Freiburger TS)
Zuschauer: 650
"Die entscheidenden Nadelstiche verpasst" – Stimmen zum Spiel
Fassungslosigkeit herrschte beim TSB Gmünd nach der dritten Niederlage im dritten Saisonspiel. Im Derby gegen Heiningen waren die "Jets" lange Zeit obenauf. Doch das große Tief kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt in der Schlussphase.
Michael Stettner, TSB-Trainer: "Die Jungs haben Charakter gezeigt, sich aber nicht belohnt. Vorne wie hinten haben wir eine starke erste Halbzeit gespielt und genauso verteidigt, wie ich mir das vorstelle. Doch direkt vor der Pause haben wir wieder angefangen, die Bälle wegzuwerfen. Da müssen wir abgezockter sein und dem Gegner richtig weh tun, indem wir einen höheren Vorsprung mit in die Pause nehmen. Danach hatten wir einen Hänger, bis zur Mitte der zweiten Hälfte aber dennoch weiter Oberwasser. Doch wir schaffen es nicht, bis zum Ende stabil zu bleiben. Dass einmal fünf schlechte Minuten dabei sind, lässt sich nicht verhindern. Doch wenn wir unsere Leistung nur über 45 Minuten lang abrufen, bricht dir das in dieser Liga das Genick. Letztlich ist es einfach ein Ergebnissport und wir waren um vier Tore schlechter, weil wir in der letzten Viertelstunde eingebrochen sind."
Nicola Rascher, TSB-Kapitän: "Nach meiner Roten Karte ging ein Ruck durch die Mannschaft, da war richtig Feuer drin. Alle waren mit der Entscheidung nicht zufrieden und haben nochmal zehn Prozent drauf gepackt. Als wir mit drei Toren in Führung lagen, haben wir es wieder einmal verpasst die entscheidenden Nadelstiche zu setzen. Stattdessen werfen wir den Ball direkt wieder dem Gegner in die Hände, nachdem wir ihn mühsam erobert haben. Aus diesen Phasen erholen wir uns nur brutal schwer oder gar nicht. Sobald wir zwei oder drei Konter in Folge kassieren, haben wir aktuell nicht das nötige Selbstvertrauen, um uns aus diesem Tief selbst wieder heraus zu ziehen."
Tom Abt, TSB-Spielmacher: "Die Stimmung ist nicht am Tiefpunkt, aber doch ziemlich weit unten. Dass wir dieses Derby hergeschenkt haben, fühlt sich einfach nur mies an. Es war eine tolle Stimmung in der Halle und wir haben den Heiningern mit unserer aggressiven Abwehr echte Schwierigkeiten bereitet, überhaupt zum Abschluss zu kommen. In der zweiten Halbzeit sind wir von unserer Spielidee und unserer Linie abgekommen. Wir haben wieder einmal zu viele falsche Entscheidungen getroffen und Heiningen damit ins Spiel eingeladen. Gerade in Crunch-Time müssen wir einen kühlen Kopf bewahren. Den haben wir nun zum zweiten Mal in einer Wocher nicht gehabt. "
Wolfgang Bächle, TSB-Rechtsaußen: "Wir haben die richtige Reaktion auf die ersten beiden Spiele gezeigt und uns auch durch die frühe Rote Karte nicht aus dem Konzept bringen lassen. Ich habe keine Erklärung dafür, weshalb wir in den letzten 15 Minuten völlig den Faden verloren haben. Vielleicht lag es an der Nervosität. Es reihen sich Konzentrationsfehler aneinander, die uns niemals passieren dürfen. Aus dieser Phase sind wir nicht mehr heraus gekommen und haben uns am Ende hängen lassen. Am Ende ist das extrem bitter. Doch es bringt uns jetzt nichts, Trübsal zu blasen. Wir schauen gar nicht auf die Tabelle, sondern nur noch von Spiel zu Spiel und wollen ab nächster Woche endlich punkten."